Liebe Anderswoer,
endlich hat uns die gute Fee den Winter geschickt, lange mussten wir sehnsüchtig auf ihn warten. Über Nacht ließ sie einen dicken Rucksack, voll gepackt mit Märchenträumen vom Himmel fallen. Das Glück der Kinder tobt und quietscht: Schlitten und Plastikwannen ergreifen die Herrschaft über die schneebedeckten Hänge, endlich können die Jungen die Mädchen mit Schneebällen bombardieren. Die pubertären Flegel nutzen die Gunst der Stunde, um beim Einseifen die mit „blöde Weiber“ Betitelten fest in den Armschluss zu nehmen. Die quiekenden Zuckerschnuten wehren sich eine Weile, damit ihre Gefangenschaft im Schwitzkasten länger dauert. Die „Alten“ müssen sich mit Glühwein vom Schneeschippen auftauen.
Der Winter ist zum Knuddeln! Wie Werthers Echte und Opas Dritte.
Kaum dass die fünfte Jahreszeit in das Jahr eingetreten ist, beginnt auch die vierte von ihnen, ein Tortenstück vom Paradies, das in allgemeiner Übereinstimmung „Winter“ genannt wird. Ja, es gibt sie noch, die gute alte allgemeine Übereinstimmung in der Tradition deutschen Brauchtums, zum Beispiel, dass eine Schlachtplatte im Winter so unverzichtbar wie der Hänsel dem Gretel ist.
Im Winter fallen die Menschen in sehr verschiedene Zustände, je nachdem ob sie in den Bannkreis eines Adventskranzes, in die wahnsinnig lustige Herrenwitzerzählung einer schenkelklopfenden Narrensitzung, oder in das Angesicht eines brennenden Weihnachtsbaumes mit einer Krippe unten drunter geraten. Das alles ist schön menschlich, ein Teil davon gehört auch zum erwähnten Paradies. Jeden dieser Zustände nehmen die Menschen ab 15 zum Anlass, Alkohol zu sich zu nehmen. Sie nennen das, zum gemütlichen Teil des Abends übergehen.
Herzliche Grüße
Jupp
