Ziemlich oft, so auch in diesem Fall, bin ich froh, kein Sprachwissenschaftler zu sein. Als nurLeser (kein Schreibfehler) glaube ich, dem Text besser gerecht zu werden, wenn ich ihm nicht mit dem Kopf begegne, sondern mich mit der mir zur Verfügung stehenden Empfindungskraft in ihn zu versenken versuche.
So beginnt der Roman „Die Stille“ von Reinhard Jirgl (Carl Hanser Verlag, 2009).
Ich tauche wieder in den von Arno Schmidt gegründeten Kosmos, in die ausgesäte, ebenso blumenreiche wie mit außergewöhnlichem Sprachgefühl ausgestatte Sommerwiese. Jirgls Sprache empfinde ich verfeinert, intellektueller. Dort wird der alte Mann zum „Altmann“ – so selbstverständlich wie es den Jungmann und die Jungfrau gibt; eine Person, deren Geiz größer als ihr Ehrgefühl ist, die „ehrGeizige“, assoziiere ich sie als solche entlarvend.
Welch ein Reichtum von Leckerbissen der Wortbildung und Sprachgenauigkeit sowie der Atmosphäre, in der die Handlung geschieht! Lebendiger und intensiver für mein Empfinden als die meistens verwendete Sprache. „Dieser Ehe-Mann war zum Verwandten der Steine geworden. –Corinna wartete stets, bis Daskind eingeschlafen war, - dann ging auch sie fort und unter Menschen – zu mir.“ (S. 469)