Misslungener Weihnachtsmarktbesuch
Petra ist attraktiv, brünett, geschieden und seit letzter Woche 51 Jahre jung. Gerade kommt sie von Ernesto, dem Friseur ihrer Wahl, ihres Vertrauens und ihres Herzens. Sie strebt freudig erregt den Glühweinstand an. Wo ist denn das Eingangstor? Nur eine rot-weiße Barriere ist aufgebaut, so dass sie den Markt nicht betreten kann. So weit ist es also gekommen, unsere Weihnachtsmärkte müssen abgesperrt und geschützt werden. Nicht auszudenken, wenn ein Verrückter einen Anschlag durchführt. Sofort kramt Petra aus ihrer leder-imitierten Handtasche ein Smartphone, neuestes Modell, heraus. Sie trippelt nach links, dann nach rechts, geht in die Hocke und versucht den Zaun fotogen zu bannen. Das muss sie unbedingt heute Abend ihren Freundinnen zeigen.
„Madame, darf ich ihnen behilflich sein?“ klingt es ausländisch. Ihr Gegenüber ist schwarzgelockt, dunkler Teint und sieht arabisch aus, wie die Araber aus dem Fernsehen. Instinktiv weicht Petra zwei Schritte zurück. Der junge Mann lächelt freundlich. Petra macht auf dem Absatz kehrt und läuft davon. Schwer atmend erreicht sie die U-Bahn. Er ist ihr nicht gefolgt. In der U-Bahn erhält sie keinen Sitzplatz. Die ist nämlich wieder rappelvoll mit diesen Flüchtlingen von überall her. Frauen mit bunten Kopftüchern, schreiende Kleinkinder, alte Männer mit langen Bärten, junge, modisch gekleidete Männer, jeder besitzt ein Smartphone, wie sie auch. Das letzte Stück fährt sie mit dem Bus.
Endlich Zuhause in den eigenen vier Wänden. Petra holt eine Flasche Fertigglühwein aus dem Schrank, schüttet den Inhalt in einen großen Topf, um ihn zu erhitzen. Wäre doch gelacht, wenn sie nicht doch noch zu ihrem Becher Glühwein kommt.
Dann stürzt Petra an ihren altmodischen PC. Einschalten und schnell bei dem sozialen Netzwerk Menschenfreund eingeloggt. Ihre neuen Freundinnen binchen1, Bella66, DieErnste und der lustige PeterderGroße müssen flugs über ihr Erlebnis informiert werden. Mit Beweisfotos versteht sich.
Binchen schreibt, dass wegen der Merkel nicht einmal mehr der Christkindelmarkt unbelästigt und ungefährdet besucht werden kann. Bella will wissen, ob der Araber sie begrapscht hat. Der lustige Peter: Mädels übertreibt nicht wieder. Die Ernste meint, dass der Vorfall gleich der Polizei gemeldet werden muss. Wie denn, wenn der eine Bombe zünden will.
Petra hat inzwischen den dritten Becher Glühwein geleert und tippt die 111 ein. Am Rödingsmarkt lallt sie steht ein Terrorist und bald passiert ein Unglück.
Polizeiobermeister Egon S. hat um 19 Uhr die Telefonschicht angetreten. Eine Weile hört er Petra zu, stellt noch ein paar Fragen und beordert dann die Jungpolizisten Sebastian und Kim Richtung Rödingsmarkt. In der Tagesschicht gab es zwei Fehlalarme. Egon freut sich auf den heißen Tee aus der Thermoskanne und den Schokoladenlebkuchen.
Petra geht ins Bett. Nichts los heute im Chat. Und überhaupt per Whats up hat ihre Tochter mitgeteilt, dass sie diesmal nicht mit Mann, Kindern und Enkeln am 24. bei ihr vorbeischaut.
Merry Christmass klingt es leise aus dem auf dem Nachttisch stehenden Radio. Scheiß Ausländer ist ihr letzter Gedanke.