Melancholie




Belletristik und Lyrik aller Art

Melancholie

Beitragvon jupp » Mi 11. Feb 2015, 21:18

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Melancholie

Die verschatteten Tage vergehen einer nach dem anderen. Sie sind dann dahin. Ebenso machen es die albgefüllten Nächte, eine entschwindet grußlos nach der anderen und lässt den Verhärmten im Schleier seiner Seelenverwundung einsam zurück. Das macht mich sehr, sehr traurig, um nicht zu sagen: bilderbuchmäßig melancholisch.

Die Männchenheit leidet unter den quälenden Leiden, Tag für Tag, Nacht für Nacht, denen nur die „Apotheken-Umschau“ umfassenden Raum zur Werbung für wirkungslose Gegenmittel zur Verfügung stellt. Die Frauenheit leidet an dem unsäglichen Leiden, Tag für Tag, Nacht für Nacht, der Werbung in der „Apotheken-Umschau“ zu vertrauen; auch dagegen gibt es kein wirkungsvolles Gegenmittel.

Melancholie.

Seine Mama kehrte, kaum dass Karl Lachmann seinen Erguss beendet hatte - völlig erschöpft konnte er aber noch mit letzter Kraft den Filzstift mit der Verschlusskappe bedecken, um keine Flecken auf der Wachstuchtischdecke zu hinterlassen, sonst hätte seine Mama mit Recht mit ihm geschimpft -, frisch dauergewellt vom Friseur zurück, las das Geschriebene, erbleichte als ob der Weiße Riese mit dem Duft frischer Limonen sie gestreift hätte – und weinte bitterlich. Eine ans Eingemachte gehende Lebenskrise ergriff sie, die schon dreimal in Lourdes war, sie, die nun mit der Gewissheit befallen wurde, dass ihr Sohn von einer sexuell völlig danebigen Lebensperformance gezeichnet war. Ihr Sohn jedoch sah in der Krise eine Chance und bewarb sich als Erzieher bei den Jesuiten von St. Blasien.
"Wahre Satire verletzt nicht - sie tötet."
Lec
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