Katzilein krank




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Katzilein krank

Beitragvon jupp » Fr 19. Feb 2016, 15:05

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Katzilein und andere sind krank

Seit zwei Tagen kotzt Mietzilein, mein mir ans Herz gewachsenes Katzilein, als ob sie eine Flatrate hätte meine Perserteppiche und Kopfkissen voll. Mit grüngelbem Schleim, halbflüssig. Etwa die Menge einer halben Leyerarbeit pro Tag. Das finde ich sozusagen irgendwie nicht total süß. Ich habe ihm auch gesagt: „Pfui Mietzilein, das macht man doch nicht.“ Doch das mir ans Herz gewachsene Katzilein hörte nicht auf mich. Seither bin ich in tiefer Sorge.

Am späten Nachmittag sitze ich bei meinem 4. Gin Tonic und schaue mir im Videorecorder die Hängetitten von Heidi in der Castingshow „Deutschlands doofste Supertitte“ von gestern Abend an. Mit einem Videorecorder versäumt man nicht das Wichtigste. Zu Weihnachten wünsche ich mir den dritten. Ich bin doch nicht blöd. In diesem Moment fallen mir ziemlich viele Schuppen von den Augen in den Schoß: vielleicht bin ich am Unglück von meinem süßen Mietzilein, meinem mir ans Herz gewachsenen Katzilein, selbst schuld. Eine Mutante von einem kleinen Elektra- oder Ödipussykomplexerl könnte … Nein, das muss weg! Schon beim 5. Gin Tonic entschließe ich mich, einen Traumapsychiater zu konsultieren.

Die Praxis von Dr. Schimmelköddel ist mit einem postmodernen Ambiente ausgestattet. Schon im Wartezimmer ist bei Dr. Schimmelköddel alles seltsam, wird man von kosmischer Musik (oder ist es komische? ich kenne mich da nicht so genau aus) umspült. Das hört sich an wie eine Mischung von indisch auf einer Saite und Rex Gildo. Dazwischen höre ich aus dem Behandlungszimmer seltsame Töne; ein Schnauben und Grunzen gemischt mit Kreischen und den Schmatzlauten einer verkehrtherumener Peristaltik in Aktion. Vermutlich lehrt Dr. Schimmelköddel eine Gruppe von esoterischen Tussis pränatale Schädigungen der Mutter Erde (es könnte auch Bauchtanz für Schwule sein) oder so. Ansonsten ist das Wartezimmer wie bei einem Traumapsychiater erwartbar geschmückt. Gleich beim Eintritt verspürt man ein seelenverschattendes Trauma, sodass das Karma im Leib in sehr negative Energieströme verwandelt wird. Halt sozusagen irgendwie total kosmisch (oder komisch). An drei Wänden kleben Poster von Engeln und Mutter Theresa. Das Fenster an der vierten Wand steht offen, wahrscheinlich, damit die Engel und die kostbare Seele aus dem Kosmos ungehindert in das Wartezimmer fliegen können.

Endlich öffnet sich die Tür zum Behandlungszimmer. Hoffnung erfüllt mich, bald wird Mietzilein, mein außergewöhnlich liebes Katzilein, von ihrem Leiden erlöst sein, wenn der Traumapsychiater mein Komplexerl heile heile gemacht hat. Ich trete ein, - da trifft mich fast der Schlag. Als ob der Musikantenstadl samt der Jodel-Marianne von Oberammergau abgebrannt wäre. Rechts vom Schreibtisch des Dr. Schimmelknödel hängt in einem Käfig an der Decke ein fliegender Hund und starrt mich mit hervortretenden blutunterlaufenen Augen an. Der Boden des Behandlungszimmers und der Schreibtisch sind mit vollgeschissenen Zeitungen bedeckt. Dr. Schimmelknödel deutet meinen fragenden Blick richtig, er setzt zu einer Erklärung an:
„Alfonso, mein Hundilein, hat seit zwei Tagen …“ Weiter kommt der Psycho nicht. Unter Abgabe von seltsamen Tönen, Schnauben, Grunzen und heftigen Schmatzlauten einer verkehrtherumenen Peristaltik streut Alfonso wie aus der Pistole geschossen ein frisches Bombardement von grüngelb halbflüssig schleimigen Dünnschissbrocken über die ausgebreiteten Zeitungen. „Alfonso, mein Hundilein …“ Dr. Schimmelknödel nimmt einen erneuten Anlauf zur Erklärung.
„Mietzilein, mein allerliebstes Katzilein auch, schreie ich.“ Meine Hoffnung auf Erlösung wandelt sich auf der Stelle in eine Stinkwut. Ich reiße meine Sandale vom rechten Fuß und schleudere sie …

Wir haben wieder ein einprägsames Beispiel dafür, die Wut ist ein schlechter Ratgeber.
"Wahre Satire verletzt nicht - sie tötet."
Lec
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