Gustl Boller




Belletristik und Lyrik aller Art

Gustl Boller

Beitragvon jupp » Do 11. Jan 2018, 11:48

Keine Sorge, dieser Text enthält keine Abhandlung über die auch von der Heiligen Inquisition des Vatikans verdammte Bewegung „Psychologie von unten“ (alles was sich unten bewegt ist für die Purpurträger – jedenfalls offiziell – des Teufels). Vielmehr soll in einem kurzen Abriss die bisherige Karriere von Gustl Boller - der Depp ist mit allen Unfähigkeiten ausgestattet, um in der politischen Führung des voralpin brunst- und jodelgestylten Reservats für Lederhosenprimaten eine gewichtige Rolle zu spielen – dargestellt werden.

Schon als Knabe liebte Gustl das traditionsgeschwängerte Brimborium des sonntäglichen Hochamtes mit den brennenden Kerzen, dem dampfenden Weihrauch und dem vom Pfarrer im Spitzenröckchen unter dem goldenen Ornat reichlich versprengten Weihwasser. Klar dass er dann Junge geworden als Ministrant das antike Ritual samt der ungenießbaren Plörre, die von dem Pfarrer Predigt genannt wurde, durchfrömmelte. Sonntäglicher Höhepunkt war für den Knaben der Aufmarsch der Gebirgsschützen in Tracht mit Gamsbart und altem Gewehr auf dem Kirchplatz, Herumstolzen der Männer in Lederhosen und Lodenjoppe. Dann Abmarsch der Männer in die umliegenden Gasthäuser zum Frühschoppen.

Das Wetterleuchten des Wassermanns im 21. Jahrhundert strahlte als der zunehmend aufgeblasene Gernegroß Gustl Boller zum Jungmann heranwuchs. Dies geschah in der örtlichen und geistigen Enge (ein wesentliches Faktum, um seinen späteren Erfolg als Politikdarsteller zu verstehen) des Dorfes Kleinleutkirch (eine raumfüllende Sinnlosigkeit als solche) zwischen dem Auftritt des Pfarrers im Spitzenröckchen und dem Abmarsch der Gebirgsschützen in Tracht und dem Haus Kirchgasserl 8, das von seinen Eltern nach einer langen Kette von Erbfolgen bewohnt wurde. Wie alle Häuser im Kirchgasserl ist es im Stil der voralpinen Brunft- und Jodelarchitektur gestaltet. Das Nachbarhaus des Bäckers Friedhelm Scheurer ist sogar mit der hohen Kunst der Lüftlmalerei und einem Fresko, das die von sieben Schwertern durchbohrte Heilige Jungfrau darstellen soll, verziert. Das alles dechiffriert jeder Mensch, der seiner fünf Sinne mächtig ist und die gesammelten Werke von Thomas Mann im Bücherschrank stehen hat, als deppert wie Chicklit. Wenn Gustl auch in dieser Enge zum intellektuellen Spastiker heranwuchs, so blieb er gottseidank frei von Tripper und dergleichen, was einer hirnfreien Neurose sehr ähnlich ist.

Während des Besuchs der Volksschule musste Gustl Boller lediglich in der 3. und 7. Klasse eine Ehrenrunde drehen. Der Stammtisch in der „Bayerischen Stube“ wusste, sofern Sepp Boller, Gustls Vater, ausnahmsweise nicht anwesend war, dass die unerwartet kurze Verweilzeit in der Schule eine einfache Erklärung findet. Sepp Boller betrachtete es als Ehre, dem Herrn Rektor Mümpfer kostenlos ein Geländer für die Haustreppe und einen Zaun um den Garten schmieden zu dürfen.

Nach der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit des Schulbesuchs ging Gustl nach alter Sitte bei seinem Vater in die Lehre. Er lernte schnell, dass man mit dem dicken Hammer draufhauen muss, und das Eisen, solange es heiß ist, schmieden muss. Die wichtigsten Grundpfeiler für seinen späteren Erfolg als bayerischer Spitzenpolitiker waren damit gelegt. Dies ist keineswegs eine Fehlallokation von Gedanken.

Die Entwicklung verlieh Gustl Boller eine tief dröhnende Stimme. Und – auch zu seiner Ausstattung passend – eine marginale Intelligenz. Daher blieb er zeitlebens auf dem Niedrigniveau des Kirchgasserls. Nach alter Familientradition blieb er nah an der Kirche und den Gebirgsschützen: eine katholisch-desaströse Fehlentwicklung im 21. Jahrhundert.

Eines Stammtischabends in der „Bayerischen Stube“ ging es hoch her. Wieder einmal beklagte die Besatzung des Stammtischs, dass in Deutschland im Gegensatz zu Bayern die vom Kommunismus besessenen Linken das Land direkt in die Katastrophe führen. In dieser schicksalsträchtigen Stunde beschloss Gustl Boller Politiker zu werden. Dieses Stammtischereignis wäre des Erzählens nicht wert, man könnte es als drolliges Relikt von Hinterwäldlern abtun, wäre Gustl Boller nicht ein Spitzenpolitiker geworden. Das war sehr einfach. Kräftig hat er draufgehauen, der Gustl, hat einen Zaun gegen die vielen Ausländer gefordert. „Die kommen nach unserem Neuschwanstein“, polterte er, „vergewaltigen die dortigen Putzfrauen und plündern unsere Sozialkassen.“ Dreimal hat er diese metaphysische Mehlschwitze von sich gegeben, schwupp wurde er Dauerplärrer in den Talkshows. Dort offenbarte sich seine polymorphe Blödigkeit in vollem Umfang. So wäre es ein Wunder gewesen, wäre Gustl Boller beim nächsten Parteitag nicht zum Anführer der Horde voralpiner Lederhosenprimaten gewählt worden.
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Lec
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