Gehen zu Gounod




Belletristik und Lyrik aller Art

Gehen zu Gounod

Beitragvon jupp » So 8. Apr 2018, 15:47

(Persiflage nach Beckett)

Landstraße. Ein Baukran. Karlheinz sitzt auf einer Bank. Er versucht, seine Jacke anzuziehen. Vergebens.
Karlheinz: Schreiße!
Kuno tritt auf.
Es klappt nie.
Kuno: Dort steht ein Baukran.
Zu Karlheinz
Da bist du also wieder, du Karlheinz.
Karlheinz: So meinst du? Ich dada.
Kuno: Ich auch dada.
Karlheinz: zum Publikum Wir alle dada.
Kuno setzt sich auch auf die Bank. Langes Schweigen.
Kuno: Ich freue mich, dich wiederzusehen. Ich dachte, du wärst weg für immer.
Karlheinz: Ich auch.
Kuno: Was machen wir?
Karlheinz: Wir gehen.
Kuno: Gehen wir.
Beide bleiben sitzen. Karlheinz versucht, seine Jacke anzuziehen. Vergebens. Kuno bohrt in der Nase. Mit Erfolg.

Karlheinz: Ich dada.
Kuno: Ich auch dada.
Karlheinz: Zum Publikum Wir alle dada.
Karlheinz: Wir gehen.
Kuno: Wohin tun gehen?
Karlheinz: Zu Gounod.
Aus der Beschallungsanlage ertönt der Anfang von Eine kleine Nachtmusik von W.A. Mozart.
Kuno: Darf man fragen, wo der Herr die Nacht verbracht hat?
Karlheinz: Du darfst – auch deine Suppe essen.
Kuno: Dort steht ein Baukran.
Karlheinz: Wir sitzen ja an einer Landstraße.
Kuno: Wer war noch beim Friseur?
Karlheinz: Der Mozart.
Der Anfang des Ave Maria von Charles Gounod ertönt aus der Beschallungsanlage.
Kuno: Immer dasselbe.
Langes Schweigen.
Karlheinz: Kuno, was machen wir jetzt?
Kuno: Karlheinz, wir gehen.
Karlheinz: Wohin tun gehen wir?
Kuno: Gehen wir.

Beide bleiben sitzen. Karlheinz versucht, seine Jacke anzuziehen. Vergeblich. Kuno popelt in der Nase. Erfolgreich.
Karlheinz: Jetzt ist es zu spät. Die werden uns nicht rauflassen.
Karlheinz geht zur Rampe und deklamiert schwülstig-bedeuungsvoll.

Hülsenfrüchte
Eine windige Geschichte,
die ich im Gedichte
berichte.

Der Genuss der Hülsenfrüchte
erzeugt als Folge oft Gerüchte,
welche ohne t geschrieben werden,
sowohl bei Menschen wie bei Pferden.

Gerüchte aus der Gerüchteküche
erzeugen keineswegs Gerüche,
zeugen nur von schlechtem Geschmack.

Karlheinz geht zurück zur Bank und setzt sich.

Kuno: Tut dir was weh?
Karlheinz: Weh! Er fragt mich, ob mir etwas weh tut!
Kuno: Die ist kein Grund, die Hosentür offen zu lassen.
Karlheinz: Du hast recht. Er macht den Hosenladen zu. Nur keine Nachlässigkeit in kleinen Dingen.
Kuno: Was soll ich jetzt sagen? Du wartest immer bis zum letzten Moment.
Karlheinz: träumerisch Der letzte Moment … Er denkt nach … Was lange währt, wird endlich gut. Wer hat das noch gesagt?
Karlheinz versucht, seine Jacke anzuziehen. Vergeblich. Kuno kämmt sich. Mit Erfolg.
Kuno: Wir gehen.
Karlheinz: Wohin wir tun gehen?
Kuno: Also gehen wir.
Karlheinz: Wir gehen.
Karlheinz und Kuno bleiben sitzen.
Karlheinz: Was ist denn?
Kuno: Kennst du die Bibel?
Karlheinz: Den alten Schinken?
Kuno: Jawoll.
Karlheinz: Die Bibel … Er denkt nach … Ich glaube, ich hab mal so ein bisschen.
Kuno: In der Waldorfschule?
Karlheinz: Ich weiß nicht mehr, ob es im Wald war.
Kuno: Lassen wir das. – Du hättest Dichter werden sollen.
Kuno: Bin ich doch.
Kuno geht zur Rampe und deklamiert gelangweilt.
Jes
kaze ratsche schlaze naze
taze faxe laze matraze
baze oraz schaze hatse
waze haze baze Glaze

vannun brumme gunne wumme
cannu drunne hunde sunne
chumme fumme rumme lumme
kumme jumme munne wumme.
Kuno geht zur Bank zurück und setzt sich. Karlheinz versucht, in seine Jacke zu kommen. Es gelingt.
Karlheinz: Kuno, ich bin schon drin!
Kuno: Karlheinz, und jetzt?
Karlheinz: Und jetzt muss man sich Karlheinz als glücklichen Menschen vorstellen.

Vorhang.

(Aus meinem neuesten Buch: "Nee Popelubu, Meine Kladde 9", amazon. de)
"Wahre Satire verletzt nicht - sie tötet."
Lec
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