Denksteine




Belletristik und Lyrik aller Art

Denksteine

Beitragvon jupp » Sa 23. Nov 2019, 20:21

DENKSTEINE

1. „Für mich ist der menschliche Körper eine Maschine. In Gedanken vergleiche ich einen kranken Menschen und eine schlecht gemachte Uhr mit meiner Idee von einem gesunden Menschen und einer gut gemachten Uhr.“ (Descartes)
Der Reduktionismus Descartes hat löblicherweise entscheidend dazu beigetragen, das Denkgebäude des „finsteren Mittelalters“, das auf dem Fundament des Glaubens aufbaute, zum Einsturz zu bringen. Das von ihm ausschließlich auf dem Fundament des Wissens errichtete Gebäude erweist sich jedoch als Tor zur Sackgasse der begrenzten Erkenntnis des Wesens.
Bereits die Begrenztheit des Denkens in Begriffen ist eine Reduktion. Emotionen sind in einem wesentlichen Kern nicht begrifflich, sie sind jedoch Bestandteil meines Seins.

2. Ein Denken, das nicht-rationale Erscheinungen und deren Wesensgründe nicht als wesentliche Elemente in sein Gebäude einbezieht, ist nicht systemisch, sondern bestenfalls systematisch.

3. Das Gleichsetzen der Messwerte eines Untersuchungsgegenstandes mit dessen Wesen ist einer der Geburtsfehler der „blinden“ Naturwissenschaft, weite Teile der Hirnforschung voran. Wenn ich den Zungendruck mit durchschnittlich 0,432 atü messe, den Austausch von Speichelsekret mit 1,654 Kubikzentimetern ermittle und meine Messergebnisse in eine beeindruckende mathematische Formel fasse („Ku = x atü x Y mm“), habe ich keineswegs das Wesen des Kusses erfasst. Durch die Benennung des Menschen mit „m“ habe ich ihn noch nicht begriffen.
Wesen und Erscheinung sind zwei grundsätzlich verschiedene logische Orte.

4. Der Irrtum des Pathologen besteht nicht darin, dass er bei seiner Sezierarbeit „die Seele“ nicht gefunden hat, sondern, dass er nach ihr als etwas Materiellem gesucht hat. Tränen des Schmerzes, Todesängste, sind Argumente, auch wenn ihre Bedeutung und ihr Gewicht nicht beurteilt werden können. Die Sinnlosigkeit ist Teil des Menschen und seiner Welt. Der Mensch kann nicht auf in Begriffen Fassbares reduziert werden. Die Sprachlosigkeit ist ein Teil seines Wesens.

5. Meine Träume und Phantasien sind Elemente meines Seins, sie beeinflussen mein Denken und Handeln, auch wenn Mathematiker und Hirnforscher sie mit ihrem Instrumentarium nicht zur Gänze fassen können.

6. Philosophie ist anderes als Verfassen und Nacherzählen von Ratgeber-Literatur und Populärwissenschaft.

7. Auch wenn ich (fast) jedem Satz eine eigene Nummer gegeben habe, habe ich nicht im Entferntesten die Qualität des tractatus von Wittgenstein erreicht.
Sprachschwurbelei ist keine Philosophie; sie ist der Satire über philosophische Sackgassitäten vorbehalten.
"Wahre Satire verletzt nicht - sie tötet."
Lec
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