Ballade von der verschaukelten Marie




Belletristik und Lyrik aller Art

Ballade von der verschaukelten Marie

Beitragvon gnies.retniw » Di 10. Sep 2019, 22:48

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Foto: Nadine Müller

Ballade von der verschaukelten Marie

Mariechen war ein kleines Ding,
das gerne hin zur Schule ging.
Lernte für diese und das Leben,
so war das eben.

Die sonnigen Tage im Garten
konnte Mariechen kaum erwarten.
Sie schaukelte mit großer Leidenschaft,
behutsam, das gab ihr Kraft.

Mariechen ward jetzt zu Marie,
schaukeln war sie nunmehr nie.
Entdeckte neue Interessen,
das Schaukeln hatte sie vergessen.

Eroberte die große weite Welt
und schuf sich ein neues Betätigungsfeld.
Sie dachte: Ich werde Youtuber!
Schuften sollen Andere bei Amazon und Uber.

Ihr Abi war zwar in Gefahr,
doch viele Klicks ergötzten sie - für wahr.
So netzwerkelte sie vor sich hin
und sah in ihrem Tun einen großen Sinn.

Damit das Klima sich transformiert,
hatte sie freitags ihre Forderung auf Pappe notiert.
Eroberte mit Gleichgesinnten Kulissen
für die Deutungshoheit über unser schlechtes Gewissen.

Doch eines Tags im Überschwang
stieg auf Schaukel sie mit Tatendrang.
Wippte und schleuderte hin und her,
höher und höher, fragte nicht nach Umkehr.

Überschlag, auf und nieder,
noch waren sie heil, ihre Glieder.
Dann der Sturz, der sie zu Boden brachte,
einen Moment lang sie nach Atem rang und dachte:

Des eigenen Wissens Kraft
hatte ich nicht gerafft.
Die Wirkung von Fliehkräften
ist erklärt in meinen unbenutzten Schulheften.
"Die Sonne der Kultur steht niedrig. Wen wundert's, dass Zwerge lange Schatten werfen."
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